Unterwegs zu den Anderen

Immer wieder hörte ich in meinen Zwanzigern, was für eine wertvolle Erfahrung es sein kann alleine die Welt zu bereisen. Gefühlt jedeR Dritte aus meinem Umfeld hatte bereits eine längere Reise hinter sich gebracht. Der Gedanke, "es" auch irgendwann tun zu “müssen”, war lange präsent in mir - wirklich angstfrei war ich damit jedoch nicht. Erst mit 36 passte dann die Lebensphase - und die Aufbruchstimmung war stärker als die Angst vor dem Unbekannten.

Viele finden auf so einer Reise zu sich selbst. Ich fand zu den Anderen.

„In der Fremde wird der Mensch neu geboren.“ (Christoph Ransmayr 2014)

 

Die ersten zwei Wochen genoss ich die Zeit mit mir allein. Dann begann eine Phase, in der ich mich häufig einsam fühlte. Der Austausch über meine Erlebnisse fehlte mir. Ich sehnte mich nach Körperkontakt und nach der Gesellschaft von lieben Menschen. 

Ich beobachtete dieses starke Bedürfnis, wobei mir auffiel, dass Kontakte bei mir nicht einfach so entstanden. Ich musste ganz aktiv etwas dafür tun. Also sprach ich gezielt jemanden an und machte sogleich transparent, wie es mir gerade geht. Nach einer Stunde nettem Geplauder stellte ich fest, dass ich erneut allein war. Für das nächste Mal nahm ich mir daher vor, mich gezielt für ein weiteres Treffen zu verabreden, um länger Austausch mit jemandem zu haben.

 

In uns wohnt das natürliche Bedürfnis nach Verbindung. Die Notwendigkeit, dieses Bedürfnis zu erfüllen, lernte ich durch das Alleinreisen besonders dringlich kennen.

 

Auch wenn es mich anfangs verunsicherte, mich Fremden gegenüber mit meiner Bedürftigkeit zu zeigen, blieb mir nichts anderes übrig. Es gab momentan keine andere Lösung, um aus der Einsamkeit heraus zu kommen.

 

Nach zwei Monaten alleinigem Reisen durch Südostasien gelangte ich mit meinem Thema an einen Tiefpunkt. Ich war in Malaysia in den Cameron Highlands, an dem es täglich ab mittags regnete und ich nur selten auf Menschen traf. Die Einsamkeit kam verstärkt zurück und ich hatte das erste Mal in meinem Leben Heimweh. 

 

Um da herauszukommen, verließ ich den Ort und reiste dorthin, wo die Sonne schien und viele Menschen zu treffen waren. Nach Timon Island, weit weg vom Festland. Ich unternahm alles, um mein Bedürfnis nach Kontakt zu erfüllen. Das brachte mich mir selbst näher.

 

An diesem Punkt löste sich etwas in mir. Ich musste nichts mehr dafür tun, um in Verbindung zu sein. Ab da an war ich einfach in Gesellschaft.

 

Seitdem werde ich häufig auf der Straße angesprochen und beispielsweise nach dem Weg gefragt. Ich führe Smalltalk an der Kasse, Wortwechsel mit fremden Menschen erfreuen meinen Alltag. Da ist Verbindung, immerzu, einfach so.

 

Katharina Höricke

 

 

Bild zur Meldung: © Jackson David auf Unsplash