Hin und Her – Schwingen mit dem Leben

 

„Nochmal!“ Etwas missmutig stehe ich im nieseligen Vormittagsnebel auf einem scheinbar von Gott verlassenen Spielplatz. - „Bitte! Nochmal.“ Aus meinen grauen Gedanken gerissen grinse ich ob der kindlichen Freude meiner Kleinen, der die Trübseligkeit des kühlen Frühlingsmorgens völlig egal ist. Ich gebe ihr erneut kraftvoll Schwung für die nächsten Runden ihres Hin und Her. Sie liebt Schaukeln. So wie die meisten Kinder. Vor und zurück. Scheinbar schwerelos durch die Luft fliegen. Auf und ab. So wie die Phasen des Lebens. Aber davon weiß meine Kleine noch nichts.

„Komm, ich zeige dir, wie du dich selbst in Schwung bringst.“ Sie schaut mich ein bisschen frustriert an, lässt sich aber auf die Lehrstunde ein.

 

„Zuerst schwingst du deine Beine nach vorne. Ja, genauso. Und gleichzeitig lehnst du deinen Oberkörper dabei zurück.“ Sie wirft ihre dünnen Beinchen in die Luft und kippt ihren Oberkörper derart nach vorne, dass ich Sorge habe, dass sie mir von der Schaukel stürzt.  Die Schaukel stellt ihre Schwungbewegungen ein und trudelt desorganisiert um die eigene Achse.

 

„Nein, nein. Beine nach vorne und Oberkörper zurück.“ Wieder wirft meine Kleine ihre Beine in die Luft und hält sich krampfhaft an den Seilen fest, weil das Vertrauen in die eigene Rückenlage auf dem wackeligen Brett noch fehlt. Die Schaukel trudelt. 

 

 

„Das geht ja gar nicht!“ mault sie. Ja, da hat sie recht. Wenn die Bewegungen dem Ziel entsprechend nicht koordiniert sind, kommen wir ins Trudeln. Wann brauche ich die Bewegung nach vorne, wann jene zurück? Wo und wann ist der Kippmoment? Wie spüre ich im Leben, wann welche Richtung dran ist? Und was ist mit der Phase der Entspannung, weil ‚die Sache’ gerade einfach läuft?

 

„Weiter!“ Meine Kleine reißt mich mit ihrer Ungeduld und Gezappel aus meinen philosophischen Überlegungen. Ich erkläre ihr nun noch die Rückwärtsbewegung. Sie probiert alles aus: Beine vor, Körper zurück - juhu, es klappt! Beine zurück, Körper zurück - die Schaukel trudelt. Sie denkt nicht darüber nach, sie probiert einfach aus. Vor und zurück. Mal kommt Schwung auf und mal trudelt die Schaukel. Mit jedem Versuch fühlt sie mehr, welche Bewegungskombination sie in die gewünschte Richtung bringt.

 

Ja, fühlen, was mein Handeln bewirkt. Spüren, wann und in welchem Rhythmus welche Bewegungen, welche Impulse im Fluss sind oder wann sie Trudeln verursachen. Aktion und Intuition. Wir brauchen beides, damit unser Leben mit den für uns stimmigen Zyklen pulsiert. 

 

„Guck mal. "Jetzt kann ich’s!“ Begeistert und unermüdlich pendelt meine Kleine auf der Schaukel, und immer öfter wird ein freudvolles Hin und Her daraus.

 

Cordula Roemer, Expertin für Hochsensibilität und Hochbegabung 

 

 

 

 

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