Der Tod als Sinnstifter

Ein Gedankenspiel:

Stellt euch einmal vor, ihr seid Chef einer Firma. Und jetzt stellt euch einmal vor, ihr würdet euren Mitarbeitern einen Packen Arbeit auf den Tisch legen und sagen „Das sind eure Aufgaben. Es wäre schön, wenn ihr die erledigt, ihr habt übrigens bis in alle Ewigkeit dafür Zeit.“ Was würde wohl passieren? Es gäbe wahrscheinlich den einen oder anderen Fleißigen, der sich sofort dran macht, nach dem Motto „Was ich erledigt habe, habe ich erledigt.“  Und dann gäbe es einige, die sich dem Packen in absehbarer Zeit widmen, aber nicht sehr ehrgeizig, da es ja nicht drängt. Der Großteil der Mitarbeiter würde jedoch das Aufgaben-Paket in irgendeine Ecke schieben, denn „man kann es ja immer noch irgendwann machen…“.  Unterm Strich fürchte ich, dass in dieser Firma nicht viel bewegt werden würde.

 

Das Bild hinkt sicherlich an einigen Stellen. Und doch kommt man nicht umhin zu verstehen, dass „Deadlines“ Sinn machen. Sie fordern uns auf, Anvisiertes in einem klar definierten Zeitraum zu erledigen. Nichts anderes ist das Leben. Wir leben nicht ewig. Diese Tatsache ist für die meisten von uns unangenehm, erschreckend und schmerzhaft, deswegen beschäftigen wir uns nicht gern mit ihr. Dabei ist gerade dieser unvermeidbare Endpunkt etwas, das unserem Dasein Sinn verleiht.

 

Denn wenn wir in alle Ewigkeit in der gleichen Existenz vor uns hinleben könnten - welche Motivation hätten wir, uns auf das für uns wirklich Wesentliche und Wichtige zu konzentrieren? Und selbst wenn wir es tun - wieviel Wert hätte eine solche Erfahrung nach der x-ten Wiederholung? Wir müssten auch nicht aus Fehlern lernen, da wir für immer die Chance hätten, es irgendwann noch grade zu biegen… Ein Leben in Unendlichkeit wäre beliebig, denn alles wäre jederzeit und für alle Zeit möglich. Das würde eine ganze Weile Spaß machen, doch irgendwann würde uns diese existenzielle Uferlosigkeit wegspülen in einen Zustand von absoluter Bedeutungslosigkeit.

 

Zu wissen, dass wir nur ein Zeitfenster haben, um unsere Träume zu realisieren, ist gut. Es schafft den nötigen Anreiz, unsere Zeit nicht mit zu viel unnötigem Kram zu vergeuden. Zu wissen, dass unsere Entscheidungen gelten, weil sie nicht endlos korrigiert werden können, ist gut. So bekommt Verhalten Gewicht und Bedeutung. Und so sollten wir unsere Lebens-Deadline nicht ständig als unangenehme Gruselgeschichte, sondern als eine der größten Sinn-Stifter unseres Daseins verstehen. Das Leben ist wertvoll, weil es nicht endlos zur Verfügung steht. Leben wir im Einklang mit diesem Bewusstsein, wird aus einem selbstverständlichen Geschenk ein Schatz.

 

Julia Berger

 

 

Bild zur Meldung: © Julia Berger