Step by Step ins Gleichgewicht

Anfang der letzten Woche kam ein Patientin wieder zu mir in Behandlung, die schon eine Weile nicht mehr gesehen hatte. Sie hielt kurz inne und fragte mich dann, ob ich mich daran erinnern könne, wie sie bei unserer ersten Behandlung hereingehumpelt gekommen sei, gestützt auf eine Gehhilfe.

 

Was hat das mit dem Nervensystem zu tun?

Für ein ausbalanciertes Gehen benötigen wir ein ausbalanciertes Nervensystem. Wir benötigen die aktiven Phasen der Anspannung und die passiven Phasen der Entspannung. Wir brauchen unsere Handlungsfähigkeit und gleichzeitig unsere Fähigkeit loszulassen und wahrzunehmen.

 

Eine der ersten Maßnahmen war, dass ich meiner Patientin damals erklärt hatte, dass sie nach Möglichkeit diese Gehhilfe weglassen solle. Denn je stärker ich mich auf ein Hilfsmittel fokussiere, desto mehr verliere ich meine eigene Handlungsfähigkeit. Diese Erfahrung machte ich vor über zwanzig Jahren, als ich dabei war, mir selbst das Einradfahren beizubringen.


Damals stellte ich fest, dass ich dann am ehesten das Gleichgewicht verlor, wenn sich in meiner Nähe irgendwo die Möglichkeit bot, mich festhalten zu können.
Mein Fokus zentrierte sich in diesem Moment immer mehr auf den Haltepunkt, anstatt auf mein eigenes Gleichgewicht.

 

Seitdem übe ich vorrangig mit Menschen, wie sie durch die Wahrnehmung des Ganges wieder zu ihrem eigenen Gleichgewicht zurückkehren können und dadurch an Gangsicherheit gewinnen.

Eine kleine Übung dafür ist das Abrollen:

 

Du stehst auf beiden Beinen. Nun verlagerst Du Dein Gewicht auf ein Bein. Spüre das Gewicht unter Deinem Fuß – Dein Körpergewicht.
Dieses Gewicht beginnt nun immer mehr in den Boden hineinzusinken.
Der Druck unter diesem Fuß wird immer stärker.
Spürst Du gleichzeitig, wie der andere Fuß dabei immer leichter wird und sich irgendwann anfängt, vom Boden zu lösen?
Nun kannst Du durch den Druck Deines „Standfußes“ Dein Spielbein vorwärts bewegen.
Dein Spielbein setzt nun mit der Ferse zuerst auf und Deine Fußsohle beginnt Stückchen für Stückchen Kontakt zum Boden aufzunehmen.
Nun beginnt sich nach und nach das Gewicht von Deinem ursprünglichen Standbein auf Dein neues Standbein zu verlagern, der Druck erhöht sich unter Deinem gerade neu aufgesetzten Fuß.
Es beginnt die Übung von vorne, nun mit Deinem anderen „Standfuß“.

Versuche dabei zu beobachten was in Deinem Körper vor sich geht.
Wie sind die Spannungsverhältnisse in Deinem Körper?
Was macht Dein Gleichgewicht?
Wo befindest Du Dich in diesem Moment?
Bist Du mit der Aufmerksamkeit in der Außenwelt oder bist Du gerade voll auf diese Übung und Dich konzentriert?

 

Diese Übung läßt sich sehr leicht eigentlich immer wieder überall durchführen, es braucht dazu keinen speziellen Ort.


Miriam Großhennig

 

 

 

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