Ohne Leerung kein Empfang

Mein Leben zwischen den Jahren ist geprägt von Frieden, Ruhe und Nichts-Tun. Ich zwinge mich – im wahrsten Sinne des Wortes – die Füße still zu halten. Während mein Geist voller Tatendrang dieses oder jenes gerne noch bewerkstelligen möchte und laut rebelliert bei so viel – aus seiner Sicht - nutzlosem „Rum-Gehänge“. Mein Wille und die innere, sowie äußere Fokussierung nach Ruhe, lässt den nervigen Antreiber schlussendlich verstummen.

 

Friede kehrt ein in den tiefsten Regionen meines Gehirns – ein äußerst angenehmer Zustand, den ich gerne mit dem Bild der Schwerelosigkeit im Weltall vergleiche. Körperlos durch den Raum schwebend genieße ich den Augenblick, ganz bei mir sein zu dürfen, ohne jegliches Gefühl für Zeit und Raum. Meine Gedanken kommen und gehen. Ohne ihnen besondere Aufmerksamkeit schenken zu wollen, begrüße ich sie und verabschiede sie auch wieder, bis mich eine tiefe, wohlige Leere erfüllt. Diese Leere ist nicht farblos oder gar dunkel, nein im Gegenteil! Sie ist hell, strahlend und glänzend. Macht sich da wohl gerade die Hoffnung breit, dass das neue Jahr besser wird, als das alte gewesen ist?

 

Ist das nicht oft so, dass wir voller Hoffnung in das neue Jahr starten und am Ende des Jahres froh sind, dass es vorbei ist? 

 

Aus meiner inneren, wohligen Leere erwächst Hoffnung. Die Hoffnung lässt mich über mich hinauswachsen, gibt mir Energie, Dinge in Angriff zu nehmen und diese zu verändern.

 

 

Leben ist Veränderung und diese benötigt Raum. Sagte das nicht schon Heraklit vor zweieinhalbtausend Jahren?

 

Voller Tatendrang schaffe ich Platz im Haus, im Garten, in meinem Kopf und Leben. Jeder unnötige, vergilbte Kram wird mit einem Etikett versehen und entsorgt. Ich habe es getan! Habe meinen Keller entrümpelt, wo letztendlich alle unwichtigen, entbehrliche Dinge landen – im Dunkeln verborgen, scheinbar außerhalb des Blickfeldes.

 

Mit jedem Stück, das hinaus fliegt, werde ich leichter. Meine Gedanken werden leichter. Sie sind so leicht, dass ich beginne zu hüpfen, zu tanzen und zu singen.

 

Und während ich beschwingt durch den Tag tanze, spüre ich den Hauch des Neuen auf meiner Haut. Etwas hat darauf gewartet, dass ich ihm Platz schaffe, ihm Raum schenke, um sich entfalten zu können in all seiner Stärke und Größe.

Meine letzte Aufmerksamkeit für diesen Tag widme ich meinen, an seine Grenzen kommenden, bis an den Rand gefüllten Mülleimer und muss unwillkürlich lachen.

 

Ich komme zu dem Schluss, dass mein Mülleimer und ich dasselbe Schicksal ereilen würde: Ohne Leerung kein Empfang, keine Veränderung, nichts Neues.

 

Gabriele Oppermann 

 

 

Bild zur Meldung: Eric Han auf Unsplash