Verantwortung für die destruktiven Anteile in uns

Nach meinem Vortrag äußerte eine Zuhörerin: „Ich gehe mit mir selbst viel kritischer, oft sogar sehr hart um, während ich Freundinnen in einer ähnlichen Situation Zuwendung und Trost zuteil werden lasse.“ Diese Erfahrung kennen wir alle. Was schwingt sich in uns zum Kritiker auf und lässt uns so grob zu uns selbst sein? Vielleicht ist es der gleiche Anteil, der uns nach außen austeilen lässt, der anderen Kritik und harte Worte entgegen schleudert. Die gute Nachricht: diesen Anteilen sind wir nicht hilflos ausgeliefert. Es gilt, den Weg zurück in die Eigenmacht der Seele zu finden und diesen Anteilen die Macht über uns zu nehmen.

 

Ein Beispiel: Ein Kind möchte ein Musikinstrument lernen und fängt an, Unterricht zu nehmen. Es kann sein, dass die Eltern es mit einem Leistungsanspruch konfrontieren, dem das Kind nicht entsprechen kann. “Streng dich mehr an.” Die Freude am Spiel und am Lernen  geht dem Kind so mehr und mehr verloren. Später wird sich diese Stimme der Eltern im Inneren der nunmehr erwachsenen Person melden. Sie wurde “internalisiert”. Misslingt etwas, drischt dieser Anteil mit Kritik auf die Person ein, Selbstzweifel ereilen sie und oftmals wird das Begehrte nicht mehr versucht. 

 

Ein anderes Beispiel: Ein Kind erfährt diese hohen Ansprüche vielleicht in einer Sportart, reagiert aber anders: Es geht in Opposition. Nichts und niemand kann das Kind noch dazu bewegen, diesen Sport auszuführen. Es gibt Rebellion und Streit im Haus, die Wertschätzung wird dem Kind entzogen, es verbleibt im Trotz. Im ersten Beispiel richten sich diese destruktiven Kritiker gegen die Person selbst.

 

Im zweiten Fall wird der Erwachsene dazu tendieren, nach außen ebenfalls herabwürdigend und kritisierend aufzutreten. Letztendlich aber wendet sich das Destruktive auch hier gegen die Person selbst, nämlich durch die Ablehnung, die ihr durch andere Menschen zuteil wird.

 

Erst wenn wir den Mut haben, die alten Wunden aufzuspüren und unsere Abwehrstrategien kennenzulernen, haben wir die Chance, sie zu transformieren und zu integrieren. Los werden wir sie nicht. Sie gehören zu uns und es gilt, sie im eigenen Inneren im Zaum zu halten. Die konsequente Haltung findet im Inneren statt, wir agieren nicht die Kritik und Herabwürdigung gegen andere aus, auch nicht gegen uns selbst, sondern bleiben präsent. Wir sind uns der Abläufe im Inneren bewusst und holen uns unsere Eigenmacht, die wir in der Kindheit abgegeben haben, wieder zurück. Nach und nach verlieren diese Anteile durch die innere Arbeit an Dominanz und es wird leichter.

„Zwischen Reiz und Reaktion liegt die Freiheit.“  John Kabat Zinn

 

Diesen Raum nutzen wir bewusst, wir lassen unserer Seele Zeit, uns und  Anderen die Wertschätzung und Achtung entgegenzubringen, die unserem Wesen entspricht. Ich habe mir angewöhnt, nach links zu schauen, zu meiner Seins-Qualität der weiblichen Energie, die mich verbindet, bevor ich in die Aktion gehe. Gelingt mir das nicht und ich lasse mich von mir selbst wegtragen, versorge ich mich mit Selbstmitgefühl, bevor ich in die Schadensbegrenzung gehe.

 

Eva-Maria Zander 

 

 

Bild zur Meldung: Gerd Altmann auf Pixabay