Selbstheilung durch den Placebo-Effekt

Gerade 17 Jahre alt, im zweiten Jahr meiner Ausbildung zur examinierten Krankenschwester - und es ist immer noch so präsent – erlebte ich eine erste Berührung mit dem Thema Placebo. Damals, vor ca. 30 Jahren, arbeitete ich auf einer Krankenstation. Es gab einen Patienten mit einem amputierten Bein. Ihn quälten oft starke Schmerzen – Phantomschmerzen. Eine Schwester gab mir den Auftrag, ihm Kochsalzlösung zu spritzen. Ich war sehr verwundert, erledigte aber brav meine Aufgabe. Nach nur fünf Minuten strahlte mich der Mann erleichtert und dankbar an. Seine Schmerzen waren verschwunden. Ich war tief beeindruckt. Seitdem lässt mich das Thema Placebo nicht mehr los.

 

Den Placebo-Effekt nutzten bereits Ärzte in der Antike und im Mittelalter. Die wissenschaftliche Beschäftigung begann jedoch erst im 2. Weltkrieg. Der Militärarzt, Henry Beecher beobachtete, wie eine Krankenschwester verwundeten Soldaten Kochsalzlösung spritzte, da das Morphium knapp wurde. Den Patienten ging es trotzdem besser. 

 

Es gibt ganz verschiedene Placebo-Effekte, ob mit Pillen ohne Wirkstoff, Spritzen mit Kochsalzlösungen oder Scheinoperationen. So wurden z.B. Parkinson-Patienten Scheinmedikamente verabreicht, die trotzdem zur Verbesserung der Symptomatik führten. Patienten mit Knieproblemen erhielten eine Scheinoperation und waren anschließend schmerzfrei. Das hört sich schon verrückt an - oder? Wie kann es dazu kommen? 


Wissenschaftlich konnte nachgewiesen werden, wenn der Patient erwartet, dass das Medikament hilft, dann setzt der Körper entsprechende chemische Vorgänge in Gang und schüttet z.B. schmerzstillende Botenstoffe aus. Das Ganze wird vom Gehirn gesteuert. Besonders gut wirken die Placebos, wenn sie ein Arzt gibt, zu dem der Patient Vertrauen hat.

Allein positive, zuversichtliche Worte können bereits als Placebo und Heilungsverstärker wirken. Im Gegensatz dazu können eine ausgesprochene falsche Diagnose oder Prognose zu stärkeren Beschwerden, einer längeren Genesungszeit bis hin zu einer geringeren Lebenserwartung führen. Man spricht dann vom Nocebo-Effekt. 

 

Es gibt viele spannende Experimente in der Placebo-Forschung, die hier den Rahmen sprengen würden. Es lohnt sich sehr, sich damit näher zu beschäftigen. Was für ein ungenutztes und kraftvolles Potential stellt der Placebo-Effekt dar, um die Selbstheilungsmechanismen zu aktivieren. Das Wissen, dass Glaube, Erwartungen und Gedanken heilen können, zumindest viel mehr, als wir derzeit denken. 

 

Es stellen sich mir viele Fragen. Wie sehr sind wir eigentlich durch unsere Glaubenssätze konditioniert?  Geben wir nicht viel zu schnell die Verantwortung an das Gesundheitssystem, die Ärzte, Therapeuten und Medikamente ab, weil wir es so gelernt haben und weil wir es nicht besser wissen? Was wäre, wenn Ärzte für den Einsatz und den Erfolg von Placebos belohnt beziehungsweise daran verdienen würden? Wenn sie vor allem Zeit für ihre Patienten hätten, um eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und eine zuversichtliche, optimistische Erwartung der Heilung vermitteln würden? Was wäre, wenn wir schon in der Kindheit mit dem Wissen aufwachsen, dass unser Glaube, unsere Einstellung, unsere Gedanken und Gefühle großen Einfluss auf unsere Gesundheit und unsere Selbstheilungskräfte haben?  Das ist keine esoterische Spinnerei. Worte und Gedanken machen die Chemie in unserem Gehirn. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Nutzen wir viel mehr diese in uns liegende Kraft. 

 

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Kerstin Ruschen

 

 

 

Bild zur Meldung: Ewa Urban auf Pixabay