Hüpfende Herzen

Meine Kleine sitzt am Tisch auf der Küchenbank, ich ihr gegenüber auf dem Küchenstuhl. Sie ist sechs Jahre alt, ich bin ..., nun ja, geringfügig älter. Ich habe noch gelernt, dass Frauen ab einem gewissen Alter nicht übers Alter sprechen. Auch nicht übers Älter werden. Manchmal fragt sie mich, wie alt ich bin. Dann sage ich, dass sie ihr Alter einfach zweimal hintereinander aufschreiben soll. “Zwölf?” rechnet sie stolz. Ich schmunzle, beginne zu schreiben und sie beginnt zu begreifen.

 

Wir haben unsere gemeinsame Oma-Zeit und genießen an einem schönen warmen Samstagvormittag unser Spätstück. Früh ist vorbei, Schule heute nicht dran und wir schmieden Pläne. 

 

Einkaufen wollen wir - zuerst in ihrem Kaufmannsladen und nachher “in echt”. Sie grinst mich verschmitzt an. Kann ich dann wieder einen Snack haben? Na guuut. Darf ich Mama vorher noch was schreiben? Ja, sie darf. In meinem Beisein erlaube ich ihr, mein – für mich – wertvolles Arbeitshandy zu nutzen. Ein anderes habe ich nicht und sie bekommt jetzt auch noch keines. Erst einmal im physischen Leben ankommen.

 

Inzwischen tickert sie selbstverständlich und zielsicher ihre Buchstaben ein. Von den Emojis und Sticker gibt es mehr und es dauert länger. Hüpfende Herzen, klimpernde Einhörner, küssende Bärchen oder grollende Gespenster wechseln die virtuellen Seiten.


 

Es dauert länger, weil jedes Emoji gut gewählt sein will oder weil heute der Tag der tausend Herzen ist. Eines der Herzen ist andersfarbig. Knobelaufgabe für Mama: Finde den Fehler. 

 

Aber das Wichtigste dabei ist das eigene Herz, das meine Kleine mitschickt. Die Übertragung ist schnell und die Antwort ebenfalls. Ein lieber Gruß und weitere küssende Entchen wechseln die Seiten und vergewissern meiner Kleinen die Liebe und Aufmerksamkeit ihrer Mutter.  

 

Ich sinniere über meine lang zurückliegende Kindheit. Kein Handy, keine gähnenden Löwen und kullernden Frösche stellten eine Verbindung zur so oft abwesenden Mutter her. Hat mich das fürs Leben geprägt? Was davon hat mich geprägt? Wäre es mit Handy und knuddelnden Eisbären weniger schlimm gewesen? In welcher Weise prägen die fliegenden Hasen heute meine Kleine? Ich werde es wohl erst in einigen Jahren erkennen können.

 

Aber auf jeden Fall bin ich froh, dass ich trotz meines Alters technikaffin genug bin, um meiner Kleinen entspannt ihren Spielereien folgen zu können. Meine Mutter mochte ebenfalls die damals moderne Technik, allerdings ohne hüpfende Herzen. Diese Brücke zwischen Jung und Alt habe ich wohl von ihr.

 

Cordula Roemer

 

 

 

Bild zur Meldung: © Gerd Altmann auf pixabay